AllgemeinAbb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Horizontalanbindung von Personen-/Materialaufzügen im Gerüstbau“

Gut zu wissen

Gut zu wissen – Horizontalanbindung von Personen- und Materialaufzügen im Gerüstbau

Personen- und Materialaufzüge gehören bei vielen Gerüstbaubetrieben zum Tagesgeschäft oder werden je nach Dienstleistungsangebot des Gerüstaufstellers immer wieder im Leistungsumfang des Gerüstbauunternehmens integriert. Ein typischer Aufzug im Gerüstbauhandwerk wird als Maschine deklariert, die aus mechanischen und elektrischen Bauteilen bzw. Baugruppen besteht und in der Regel für den Höhentransport von Personen, und/oder Material eingesetzt wird. Dabei ist eine erste wichtige Unterscheidung die Differenzierung zwischen der Inverkehrsbringung von Aufzügen und der Betrieb von Aufzügen.

Inverkehrbringung von Aufzügen (Kurzerläuterung)
Für die Inverkehrbringung von Aufzügen gibt es Regelungen, Verordnungen, Normen etc. wie z. B. die DIN EN 81, das Produkthaftungsgesetz oder die jeweils geltenden Aufzugsrichtlinien, die Anforderungen, Beschaffenheit, Einsatz- und Anforderungsbereich von Aufzügen und deren Bauteilen definieren bzw. die notwendige konstruktive Ausbildung regeln.

Dieser Bereich wird üblicherweise durch den Aufzughersteller im Rahmen seiner werkseigenen Produktionskontrolle (WPK) bzw. durch zertifizierte Prüfstellen wie z. B. den TÜV bearbeitet und durch eine CE-Kennzeichnung und/oder eine Konformitätserklärung des Herstellers abgedeckt und im Rahmen der Montageund/oder Betriebsanleitung dokumentiert.

Betrieb von Aufzügen (Kurzerläuterung)
Beachtenswert ist hier, dass die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) Aufzüge weitestgehend als Arbeitsmittel einstuft und sich daraus Vorschriften und Regelungen für den Umgang mit dem Arbeitsmittel „Aufzug“ ergeben:

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Horizontalanbindung von Personen-/Materialaufzügen im Gerüstbau“
Abb. 1: Schwenkarmaufzug am Gerüst angeschlossen (Quelle: BG BAU Baustein-Merkheft Gerüstbau, Ausgabe 2021)
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Abb. 2: Anstellaufzug zum Lastentransport (Quelle: BG BAU Baustein-Merkheft Gerüstbau, Ausgabe 2021)
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Abb. 3: Bauaufzug mit Personenbeförderung (Quelle: BG BAU Baustein-Merkheft Gerüstbau, Ausgabe 2021)

Dies sind unter anderem:
• Ermittlung von möglichen Gefährdungen bei Montage, Betrieb etc. im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung
• Betreiberpflichten und Inaugenscheinnahme des Arbeitsmittels
• Prüfung nach jeder Montage durch z. B. eine sachkundige Person des Aufstellers
• Prüfung vor Inbetriebnahme und gegebenenfalls Einweisung des/der Nutzer*in/Mieter*in
• Notrufmanagment
• wiederkehrende Prüfungen (in der Regel alle 2 Jahre) etc.

Die genauen Anforderungen für den Betrieb und/oder der Auswahl von Aufzügen können z. B. der TRBS 3121 Betrieb von Aufzugsanlagen oder der DGUV Information 201-026 entnommen werden (kostenfrei downloadbar bei www.bgbau.de).
Dabei gibt es die unterschiedlichsten Bauformen wie z. B.
• Schwenkarmaufzüge mit und ohne Hilfsmotor (Abb. 1) oder
• Anstellaufzüge zum Lastentransport (Abb. 2).
oder
• Bauaufzüge für den Personentransport (Abb. 3)
als auch Mischvarianten, die sowohl für den Material- als auch für den Personentransport geeignet sind.

Diese Mischvarianten, also Aufzüge, die sowohl für den Personen- als auch für den Materialtransport genutzt werden können, werden vom Auftraggeberbetrieb bzw. der ausschreibenden Stelle oft dem Gerüstbauhandwerk zugeordnet. Das liegt unter anderem daran, dass in der Regel Zugänge, Übergänge oder sogar Zugangsplattformen mit Materiallagerungsflächen benötigt werden, um vom Gerüst auf
den Personen- und/oder Materialaufzug (oder umgekehrt) zu gelangen (Abb. 4)

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Horizontalanbindung von Personen-/Materialaufzügen im Gerüstbau“
Abb. 4: Gerüstkonstruktion mit Zugangsplattform und vorgestelltem Bauaufzug (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner)
Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Horizontalanbindung von Personen-/Materialaufzügen im Gerüstbau“
Abb. 5: Grundriss Bauaufzug u. a. mit Angabe der horizontalen Ankerlasten (Quelle: Montageanleitung GEDA 500 Z/ZP)

Die in Abb. 4 dargestellte Gerüst/Aufzug-Konstellation stellt eine für den Gerüstaufsteller typische Montagesituation dar: Das Gerüst steht vor der Fassade, an dem Gerüst ist eine Zugangs- und Materiallagerungsplattform angeschlossen, an der wiederum der Bauaufzug geometrisch anschließt. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass praktisch alle Aufzüge entsprechend ihrer Montageanleitung am Bestandsbauwerk zug- und druckfest anzuschließen sind, um die Lagesicherheit des Aufzugmastes und somit des Fahrkorbes zu gewährleisten.

Dabei muss durch eine fachkundige Person des Aufstellers in Abstimmung mit dem Auftraggeber vor Montage die Auswahl eines für den örtlichen Anker-Untergrund geeigneten Ankertypes oder Ankersystemes getroffen werden.

Es sollte dabei klar sein, dass der gewählte Anschlussdübel sowohl für den örtlichen Untergrund als auch für die aufzunehmenden Kräfte einschließlich der notwendigen Verbindungsmittel geeignet und zugelassen ist.

Zusätzlich muss der Aufzug-Aufsteller den Auftraggeber bzw. den Aufzug-Betreiber im Rahmen seiner Informationspflicht über die aufzunehmenden horizontalen Ankerlasten aus Aufzugbetrieb, den einzuhaltenden Ankerabständen als auch über die aufzunehmenden Vertikallasten aus Aufzugbetrieb informieren, damit dieser die gegebenenfalls notwendigen Nachweise der Gründung bzw. des Bestandbauwerkes erbringen kann.

Diese notwendigen Angaben finden sich üblicherweise bei der technischen Dokumentation des Aufzugherstellers z. B. der Montageanleitung (Abb. 5).

Wie in Abb. 5 zu entnehmen, gibt der Hersteller in Abhängigkeit von der Windlastzone als auch der Aufbauhöhe die bei Betrieb des Bauaufzuges auftretenden Ankerlasten parallel (FX) und rechtwinklig zur Fassade (FY) als auch die zulässigen Höhenabstände der Horizontalanbindung an (Bühne Ausführung Typ A,B,C Tragfähigkeit 500 kg max. Ankerhöhenabstand H ≤ 6,0 m).

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Horizontalanbindung von Personen-/Materialaufzügen im Gerüstbau“
Abb. 6: Verlängerungsrohre vom Hersteller und Verankerung an der Wand (Quelle: Montageanleitung GEDA 500 Z/ZP)

Dazu sollte man wissen, dass in der Regel der Betrieb eines Bauaufzuges nur bis Windstärke 6 zugelassen ist, d. h. die angegebenen Lasten treten bei jeder Durchfahrt des Aufzugkorbes tatsächlich auf und müssen von der horizontalen Anbindung aufgenommen werden, um die horizontale Lagesicherheit des Aufzugmastes zu gewährleisten.

Die in Abb. 4 dargestellte Positionierung ist nicht ungewöhnlich und hier stellt sich die Frage: Wie kann der Aufsteller den Aufzug direkt an das Bestandsbauwerk anschließen, wenn das Gerüst „im Weg“ steht?

Dazu gibt es viele mögliche Antworten bzw. Lösungen, die vom Aufzugstyp, vom Standort, von der Gründungstragfähigkeit, vom Ankergrund etc. abhängig sind, so dass nachfolgend zwei mögliche
Lösungen und eine Ausführung skizziert bzw. eigestuft werden:

Lösung 1:
Durchbindung durch das Gerüst mit z. B. Verlängerungsrohren und zug-/druckfestem Anschluss am Bestandbauwerk entsprechend Herstellerangaben mit geeignetem Ankertyp ohne Anbindung an die Gerüstkonstruktion (Abb. 6 und Abb. 7).

Die Darstellungen in den Abb. 6 und Abb. 7 zeigen eine durchgehende kraft- und formschlüssige Verbindung von der Lasteinleitung über den Aufzugmast bis hin zur Lastableitung an das Bestandsbauwerk.

Die Lösung ist als fachgerecht einzustufen, wobei klar sein sollte, dass alle dargestellten Bauteile einschließlich der gewählten Ankertypen statisch geprüft wurden und in der Lage sind, die horizontalen Anbindelasten aufzunehmen bzw. weiterzuleiten.

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Horizontalanbindung von Personen-/Materialaufzügen im Gerüstbau“
Abb. 7: Montagebeispiel im Gerüst mit Verankerung an der Wand (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner)

Lösung 2
Durchbindung durch das Gerüst in SR-Bauweise und zug-/druckfester Anschluss an das Bestandbauwerk mit geeignetem Ankertyp (Abb. 8).

Die Darstellung in Abb. 8 zeigt eine durchgehende kraft- und formschlüssige Verbindung von der Lasteinleitung über den Aufzugmast einschließlich der Lastdurchleitung durch das Gerüst durch Stahlrohr-/
Kupplungselemente bis hin zur Lastableitung an das Bestandsbauwerk.

Die Lösung ist als fachgerecht einzustufen, dabei sollte auch hier klar sein, dass alle dargestellten Bauteile einschließlich der gewählten Ankertypen statisch geprüft wurden und in der Lage sind, die horizontalen Anbindelasten aufzunehmen bzw. weiterzuleiten.

Ausführung 3:
Anbindung an das Gerüst in SR-Bauweise und Anschluss am Bestandbauwerk (Abb. 9).

Die Darstellung in Abb. 9 zeigt, wie es nicht geht. Der Aufzug ist zwar in SR-Bauweise an der Außenscheibe der Gerüstkonstruktion angeschlossen, eine Lastweiterleitung durch das Gerüstfeld ist aber gar nicht vorgesehen bzw. montiert. Das bedeutet, die aufzunehmenden und bei Aufzugbetrieb tatsächlich auftretenden horizontalen Ankerlasten (Abb. 5) müssen irgendwie über die Gerüstbeläge und den Gerüstteilen von der Außenscheibe zur Innenscheibe der Gerüstkonstruktion und von da in die Einzelanker, die übrigens reine Zuganker sind, in das Mauerwerk.

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Horizontalanbindung von Personen-/Materialaufzügen im Gerüstbau“
Abb. 8: Montagebeispiel mit Lastdurchleitung in SR-Bauweise mit Verankerung an der Wand (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner)
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Abb. 9: Montagebeispiel mit Anbindung an das Gerüst in SR-Bauweise und Verankerung des Gerüstes an der Wand (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner)

Das heißt, die Einzelanker als auch die eingesetzten Dübel sind nur für die Aufnahme von Zuglasten zugelassen, die Aufnahme von Horizontallasten parallel zur Fassade ist technisch und auch zulassungstechnisch gar nicht vorgesehen.

Die Ausführung ist als nicht fachgerecht oder tragfähig einzustufen, da die Lastableitung als unklar anzusehen ist und die eingesetzten Bauteile (Anker für die auftretenden Horizontallasten parallel zur Fassade
nicht geeignet sind.

Unvorstellbar, wenn die Horizontalanbindung des Aufzuges versagt und der voll besetzte Aufzug umstürzt!

Bitte beachten Sie, dass der Weg der Lasten immer klar nachzuvollziehen sein muss, und dass auch alle Bauteile nachweisbar im Rahmen Ihrer Zulassung eingesetzt werden, um die Standsicherheit der Gerüstkonstruktionen auch mit einer Anbindung/Durchbindung von Aufzügen zu gewährleisten (Abb. 10).

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Horizontalanbindung von Personen-/Materialaufzügen im Gerüstbau“
Abb. 10: Montagebeispiel mit Lastdurchleitung in SR-Bauweise mit Verankerung an der Wand: Pfeildarstellung = Weg der Horizontallasten rechtwinklig und parallel zur Fassade (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner)