Allgemein

Kabelbrücken in Gerüstbauweise

Kabelbrücken werden immer wieder oder auch immer öfter im Zuge von Neubauarbeiten oder von Sanierungsarbeiten benötigt, um z. B. Versorgungsleitungen über Verkehrswege bzw. Straßen zu führen. Die konstruktive Ausbildung der Kabelbrücken hängt dabei im Wesentlichen von dem aufzunehmendem Vertikalgewicht, der zu überbrückenden Spannweite oder auch der notwendigen Durchfahrtshöhe bei Straßenüberbrückungen ab.

Branchenüblich sind Kabelbrücken in Gerüstbauweise mit einer lichten Durchfahrtshöhe von mindestens 4,50 m, die dabei Vertikallasten zwischen 10 kg und 60 kg aufnehmen und deren Spannweiten im Bereich von 6 m bis 12 m liegen.

Hier kommen oft Kabelbrücken bestehend aus 2 bis 3 Gitterträgern z. B. GT 45 in Kombination mit Stahlrohr-Kupplungselementen zum Einsatz, die auf Rahmengerüsten oder Modulgerüsten gegründet werden (siehe Abb. 1 und Abb. 2).

Abb. 1: Kabelbrücke geradlinig mit Zwischenunterstützung über Hauptverkehrsstraße
Abb. 2: Kabelbrücke über Zufahrtweg mit Zwischenunterstützung und Richtungswechsel

Die Lagesicherheit gegen Kippen und Gleiten wird dann entweder durch Ballast oder durch eine horizontale SR-Anbindung an ein Bestandsbauwerk sichergestellt, wobei auch oft eine Kombination aus Ballast und Horizontalanker zum Einsatz kommt. Dabei ist zu erwähnen, dass die Kabelbrücken weder ein typisches Arbeitsgerüst nach DIN EN 12811 noch ein typisches Schutzgerüst nach DIN 4420 oder ein typisches Traggerüst nach DIN EN 12812 darstellen, sondern eher als Mischkonstruktion der genannten Normen anzusehen sind. Diese sind unter Beachtung der LBO als auch der ZTVK-Ing (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten) zu betrachten, zu konstruieren und nachzuweisen.

Je nach Standort sind oft noch verkehrsrechtliche Regelungen wie z. B. Beschilderungen, Beleuchtung oder vorgegebene Mindestabstände von Straßen bzw. Verkehrswegen zu beachten und einzuhalten (siehe z. B. RSA 21 oder DGUV Regel 114-016 etc.).

Das wiederum führt schnell zu Spannweiten zwischen 12 m und 22 m. Dies beeinflusst die konstruktive Ausführung der Kabelbrücke massiv.

Zur Verdeutlichung sollen Beispielrechnungen die Veränderungen der von der Gerüstkonstruktion aufzunehmenden Belastungen (Schnittgrößen) in Abhängigkeit von der gebauten Spannweite zeigen (Abb. 3a-3d).

Abb. 3a: Beispielrechnungen zur Veränderung der von der Gerüstkonstruktion aufzunehmenden Belastungen (Schnittgrößen) in Abhängigkeit von der gebauten Spannweite L1 = 9,50 m
Abb. 3b: Beispielrechnungen zur Veränderung der von der Gerüstkonstruktion aufzunehmenden Belastungen (Schnittgrößen) in Abhängigkeit von der gebauten Spannweite L2 = 15,00 m
Abb. 3c: Beispielrechnungen zur Veränderung der von der Gerüstkonstruktion aufzunehmenden Belastungen (Schnittgrößen) in Abhängigkeit von der gebauten Spannweite L3 = 22,00 m
Abb. 3d: Auszug der Schnittgrößen aus Vertikallasten in Abhängigkeit zur Spannweite

Fazit 1
Die Spannweite der Kabelbrücke hat deutliche Auswirkungen auf Schnittgrößen, Auflagerlasten und ggfs. Ballast und somit auf das einzusetzende Material bzw. die konstruktive Ausbildung der Gerüstkonstruktion.

Dabei ist zu beachten, dass die Kabelbrücke nicht nur Vertikallasten aufnehmen muss. Der Überbrückungsträger wirkt wie ein „Windband“ und somit sind zusätzlich Horizontallasten aus Wind aufzunehmen und bis in die Gründung abzuleiten.

Für die statische Bewertung ist der gewählte konstruktive Aufbau des Überbrückungsträgers wichtig (Abb. 4 und Abb. 5).

Abb. 4: Querschnitt Überbrückungsträger ausgebildet als Dreieck, bestehend aus GT45 und Stahlrohr-Kupplungselementen
Abb. 5: Querschnitt begehbarer Überbrückungsträger ausgebildet als „Röhre“, bestehend aus GT45 und Stahlrohr-Kupplungselementen

Bei den dargestellten Bauarten der Überbrückungsträger wird deutlich, dass die Windangriffsfläche der gezeigten Überbrückungsquerschnitte nicht vergleichbar ist. Die Windbelastung des in Abbildung 5 dargestellten Gerüstquerschnittes ist infolge des größeren Querschnittes und der daraus resultierenden Windangriffsfläche deutlich höher als die Windbelastung bei dem Überbrückungsquerschnitt in Abbildung 4.

Das wiederum bedeutet, dass die horizontale Windbelastung der Kabelbrücke direkt von der konstruktiven Ausbildung des Überbrückungsquerschnittes abhängig ist. Dabei kann je nach Überbrückungsquerschnitt und Standort der Kabelbrücke plötzlich die Horizontalbelastung größer sein als die Vertikalbelastung.

Hierbei ist zu beachten, dass manchmal Kabel mit Gewichten von gerade 10 kg/lfdm aufgenommen werden müssen, die Konstruktion aber vielleicht in Hamburg steht und man hier schnell Windlasten bzw. Horizontallasten in der Größenordnung von ca. 17 bis 25 kg/m2 bekommt.

Fazit 2
Wenn je nach Lage konstruktiver Ausbildung, aufzunehmendem Vertikalgewicht die Spannweite ein gewisses Maß überschreitet, kann plötzlich nicht die aufzunehmende Vertikallast für die konstruktive Ausbildung entscheidend sein, sondern z. B. die aufzunehmende Horizontallast infolge von Wind.

Unabhängig davon, ob die Vertikalbelastung und/oder die Horizontalbelastung maßgeblich wird, müssen die auftretenden Belastungen so oder so von den Auflagergerüsten aufgenommen und bis zur Gründung abgeleitet werden. Hier spielt neben der Spannweite die notwendige Aufbauhöhe eine wichtige Rolle. In der Regel sind lichte Durchfahrthöhen von mehr als 4,50 m gefordert, was je nach Spannweite und notwendigem Überbrückungsquerschnitt schnell zu Gerüsthöhen zwischen 5,0 m und 6,50 m führt.

Als Konstruktionshilfe für sinnvolle Ergebnisse ist die alte Regel: Höhe zu Baubreite mit H:B = 3:1 im ersten Ansatz immer noch anwendbar, auch wenn diese nicht mehr als Beleg der Standsicherheit anzuwenden ist. Wenn man also eine Kabelbrücke mit einer Höhe von 5,0 m baut, die über Ballast beidseitig in der Lage gesichert werden soll, ist je nach örtlicher Möglichkeit ein Auflagerturm in Gerüstbauweise von 1,50 m bis 2,50 m Breite sinnvoll.

Warum ist das so?
Das ist die direkte Anwendung des Hebelgesetzes: Großer Hebel = kleine Kraft / kleiner Hebel = große Kraft Der Gerüstturm ist dabei nichts anderes als ein senkrechter Kragarm. Das durch den Überbrückungsträger aufzunehmende Kippmoment wird in erster Linie über die Außenstiele des Gerüstturmes aufgenommen, was folgendes Rechenbeispiel belegen soll:

Horizontale Einwirkung Hd = 5,0 kN
Höhe h = 5,0 m = senkrechter Kragarm
aufzunehmendes Kippmoment Mk = 25,0 kNm (Abb. 6)

Abb. 6: Vereinfachtes statisches System = senkrechter Kragarm mit Horizontallast

Da ein Moment nichts anderes ist als M = Kraft x Hebelarm, kann das Kippmoment durch den inneren Hebelarm = Abstand Außenstiel zu Außenstiel geteilt werden und man erhält die auftretende Zuglast bzw. Drucklast auf den äußeren Vertikalstiel der Gerüstkonstruktion (Abb. 7).

Abb. 7: Aufl agergerüst Kabelbrücke in Gerüstbauweise

Wenn das Kippmoment (Mk) nun 25,00 kNm beträgt und der Außenstielabstand bei 2,50 m liegt, dann ist die Zug- bzw. Druckbelastung aus dem Kippmoment anzusetzen mit Z = D = 25,00 kNm / 2,50 m = 10,0 kN.

Wenn das Kippmoment (Mk) nun 25,00 kNm beträgt und der Außenstielabstand bei 1,50 m, dann ist die Zug- bzw. Druckbelastung aus dem Kippmoment anzusetzen mit Z = D = 25,00 kNm / 1,50 m = 16,67 kN. Hier wird sehr deutlich, dass die konstruktive Ausbildung auf das Ergebnis der statischen Berechnung direkten Einfluss hat.

Die Zuglast führt dazu, dass der Außenstiel abheben will. Das Eigengewicht und alle permanent wirkenden Vertikallasten wirken dem entgegen, so dass man eine resultierende Lastgröße erhält, um z. B. den notwendigen Ballast zu bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass durch die Horizontallast das Gerüst – also die Kabelbrücke – versucht ist, sich horizontal zu verschieben (gleiten). Daher muss nach DIN EN 12811 die Lagesicherheit gegen Kippen und Gleiten nachgewiesen und somit sichergestellt sein.

Dabei wird nach DIN EN 12811 bzw. DIN EN 12812 der Ballast wie folgt bestimmt: Forderung der Normung: notwendiger Ballast = resultierende Zuglast / 0,9

Beispielrechnung zur Bestimmung des Ballastes:
Resultierende Zuglast
Z = Zuglast aus Kippmoment – permanente Vertikalkraft
Z = 10,0 kN – 4,50 kN = 5,50 kN
Notwendiger Ballast
B = 5,50 kN / 0,9 = 6,11 kN
(anzuordnen an den Außenstielen)

Beispielrechnung zur Bestimmung der Lagesicherheit gegen Gleiten:
Im Gerüstbau ist es üblich Holzunterleger zu verwenden. Diese haben in der DIN EN 12811 festgelegte Eigenschaften, so dass ein Reibbeiwert wie folgt angesetzt werden kann (Abb. 8).

Abb. 8: Auszug Reibbeiwerte Quelle: DIN EN 13814 bzw. DIN EN 12811 / 12812
Abb. 9: Nachweis der Lagesicherheit gegen Gleiten

Beispielrechnung:
Resultierende Vertikallast V = 5,50 kN + 6,11 kN = 11,61 kN
Aufzunehmende Horizontallast je Außenstiel H = ca. 0,5 x 5,0 kN
= 2,50 kN

Fazit 3
Durch die Veränderung der aufzunehmenden Vertikallasten, der Veränderung der Spannweite, dem Standort (Windlastzone), dem eingesetzten Material als auch der gewählten oder notwendigen Konstruktionsart von Überbrückungsquerschnitten und Auflagergerüsten können die daraus resultierenden Konstruktionsbelastungen nicht pauschalisiert werden, sondern jede Kabelbrücke für sich muss sowohl konstruktiv als auch statisch betrachtet und nachgewiesen werden.