AllgemeinAbb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Spezial Gerüstbau“

Spezial-Gerüstbau

Gerüstkonstruktionen als Höhenzugang, Arbeitsgerüst, Schutzgerüst und Traggerüst zur Fassadensicherung bzw. zur Fassadensanierung

Die heutigen Anforderungen an temporäre Gerüstkonstruktionen können als komplex bezeichnet werden. Oft hat ein und dasselbe Gerüst mehrere Funktionen, es dient z. B. als Höhenzugang und als Arbeitsraum. Immer öfter wird diese „Ursprungsfunktion“ um Traggerüstanteile erweitert, um beispielsweise Personen- und Materialaufzüge aufzunehmen oder auskragende Deckenteile vor Ort zu betonieren oder auch schadhafteFassadenelemente bis zum Austausch oder zur Sanierung zu stützen bzw. in der Lage zu sichern. Dabei wird das gleiche Gerüst oft zusätzlich noch als Schutzgerüst benötigt, um z. B. Verkehrswege offen zu halten, wie für Personenverkehr, Straßenverkehr oder Schienenverkehr. Der Einsatz hängt aber von der Lage der Gerüstkonstruktion ab.

Manchmal gibt es auch Gerüstkonstruktionen, die praktisch alle genannten Funktionen übernehmen müssen, was an nachfolgendem Beispiel erläutert werden soll (Abb. 1, Abb. 2 und Abb. 3).

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Spezial Gerüstbau“
Abb. 1: Luftbild Landgericht Bielefeld Quelle: Gerüstbau Rolf Brückner GmbH & Co.KG, Ahlen
Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Spezial Gerüstbau“
Abb. 2: Vorderansicht Landgericht Bielefeld Quelle: Gerüstbau Rolf Brückner GmbH & Co.KG, Ahlen
Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Spezial Gerüstbau“
Abb. 3: Eingangsbereich Nr.1 Landgericht Bielefeld Quelle: Gerüstbau Rolf Brückner GmbH & Co.KG, Ahlen

Um die Fassade des Landgerichtes Bielefeld bei laufendem Betrieb sanieren zu können, musste eine multifunktionale Gerüstkonstruktion mit folgenden Anforderungen geplant, geprüft und montiert werden:
1. Arbeitsgerüst nach DIN EN 12811 zur Durchführung der Sanierungsarbeiten
2. Höhenzugang unter Beachtung der TRBS 2121
3. Schutzgerüst nach DIN 4420-3 in erster Linie mit Schutzdachfunktion, um alle notwendigen Zu- und Ausgänge des Landgerichts freizuhalten
4. Traggerüst nach DIN EN 12812 Bemessungsklasse B2 zur Aufnahme des aufsteigenden Arbeitsgerüstes und zur Überbrückung der Vertikallast frei zu haltenden Deckenbereiche der angrenzenden Anbauten des Bestandbauwerkes in Abstimmung mit dem Bauwerksstatiker und dem Prüfingenieur.

Wie den Bildern der Abb. 1 bis Abb. 3 zu entnehmen ist, sind die Montagebedingungen infolge der angrenzenden Hauptverkehrsstraße, den direkt angrenzenden und partiell nicht zu belastenden Anbauten und den vorhanden Bauwerksübergängen als auch den freizuhaltenden Zufahrtwegen für z. B. Gefangenentransporte als anspruchsvoll zu bezeichnen. Das hat eine komplexe und im Detail abgestimmte Arbeitsvorbereitung notwendig gemacht.

Die Fachleute der Gerüstbau Rolf Brückner GmbH & Co. KG aus Ahlen haben sich dieser komplexen Aufgabe gestellt und mit innovativen Ansätzen und der wirtschaftlich sinnvollen Kombinationen verschiedenster Konstruktions- bzw. Stahl- und Gerüstbauteile folgende Gerüstlösung geschaffen:

Auf dem Luftbild (Abb. 1) sind die Anbauten und die Bauwerksübergänge des Bestandbauwerkes klar zu erkennen. Die Decken des Bestandbauwerkes waren nicht dafür geeignet, die Vertikalstiellasten des aufsteigenden Arbeitsgerüstes aufzunehmen. Das hatte zur Folge, dass je nach örtlicher Ausbildung des Daches und der dadurch vorgegebenen Lastableitungsmöglichkeit verschiedene Überbrückungen von 7,71 m bis 12,85 m Länge in Gerüstbauweise erstellt werden mussten, um die Vertikallasten aus dem aufsteigenden Gerüst zu den tragenden Bereichen des Bestandbauwerkes bzw. der Gründung zu transportieren (Abb. 4 und Abb. 5).

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Spezial Gerüstbau“
Abb. 4: Fassadengerüst Südostseite Landgericht Bielefeld Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum
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Abb. 5: Fassadengerüst Südostseite Landgericht Bielefeld Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum

Hier wurde durch die Geschäftsführung der Firma Brückner im Sinne der betrieblichen Weiterentwicklung entschieden, die Überbrückungen durch eine sinnvolle, von Hand montierbare, von den Gerüstnutzer*innen verwendbare und statisch tragfähige Kombination aus typischen Gerüstbauteilen wie GT 45 in Stahlausführung in Verbindung mit Stahlrohr-Kupplungsbauteilen zu erstellen und nur dort, wo sie unbedingt notwendig oder wirtschaftlich sinnvoll sind, Stahlsonderteile zu verwenden.

Von den jeweiligen Überbrückungen müssen je nach Feldweite Einzellasten des aufsteigenden Gerüstes im Bereich von 18,50 kN bis ca. 37,50 kN aufgenommen werden, was je nach Überbrückungslänge oder Überbrückungskombination zu Auflagerlasten von bis zu ca. 149,50 kN geführt hat. Da die aufzunehmenden Lastgrößen dazu führen, dass viele „Standardgerüstbauteile“ überlastet sind, wurde die Konstruktion so ausgebildet, dass z. B. mehrere Gitterträger zur Vertikallastableitung montiert wurden. Das hat die Einzelbelastung der Gitterträger deutlich reduziert und teilweise einen Stahlrohr-Kupplungsanschluss erst möglich gemacht hat, um die Lasten in die Vertikalstiele einzuleiten.

Dass bei diesen Lasten die Stahlrohr-Kupplungsanschlüsse der Gitterträger ebenfalls als komplex zu bezeichnen sind, kann Abb. 6 bzw. Abb. 6a entnommen werden. Hier sieht man, wie die Vertikallasten über einen Stahlrohr-Kupplungsanschluss in einen Walzprofilträger als Lastverteilträger eingeleitet werden, um von dort in die ausreichend tragfähige Betonmauer des Bestandbauwerkes in die Gründung abgeleitet zu werden.

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Spezial Gerüstbau“
Abb. 6: Lasteinleitungspunkt Übergang Gerüst/Bestandsbauwerk Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum
Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Spezial Gerüstbau“
Abb. 6a: Lasteinleitungspunkt Übergang Gerüst/Bestandsbauwerk, Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum

Selbstverständlich ist diese Art von Stahlrohr-Kupplungsanschluss als Montage und damit kostenintensiv zu betrachten, aber alle eingesetzten Bauteile können nach dem Projekt wiederverwendet werden. Das hat mittelfristig gesehen im Sinne der betrieblichen Entwicklung Vorteile.

Bei allen im Gerüstbau aus Gerüstbauteilen möglichen Lösungen wurde neben der Machbarkeit immer auch die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten, was an anderer Stelle des umlaufenden Fassadengerüstes dazu geführt hat, dass hier Walzprofilträger anstelle von Gitterträgern eingesetzt wurden (Abb. 7).

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Spezial Gerüstbau“
Abb. 7: GT 45 Überbrückung im aufsteigenden Gerüst mit Walzprofilträgerwechsel zur Lastaufnahme und zur Lastableitung in die angrenzenden Schwerlasttürme in Modulbauweise Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum

Dabei wurden nicht nur die Vertikalstiellasten des aufsteigenden Gerüstes aufgenommen, gleichzeitig wurde auch ein Schutzdach über den Zufahrtsbereich des Bestandsbauwerkes ausgebildet, um die Verkehrswege gegen mögliche herabfallende Teile zu sichern (Abb. 8).

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Abb. 8: Walzprofi lträgerwechsel mit Schutzdachausbildung in Gerüstbauweise Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum

Das Ergebnis war bzw. ist eine multifunktionale Gerüstkonstruktion, die allen Anforderungen – soweit diese umsetzbar waren – erfüllt hat, um die Sanierung der Fassade bei laufendem Betrieb des Bestandbauwerkes möglich zu machen (Abb. 9, Abb. 10 und Abb. 11).

Abb. Blog-Artikel: Ingenieure Tomshöfer & Partner – Fachbericht „Spezial Gerüstbau“
Abb. 9: Fassadengerüst Südostseite im Betriebszustand Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum
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Abb. 10: Längsseite des Gerüstes mit dem vorgesetzten Personen- und Materialaufzug, Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum
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Abb. 11: Fassadengerüst Nordwestseite im Betriebszustand Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner, Bochum

Der innovative Lösungsansatz und das ergebnisorientierte Vorgehen als auch die professionelle Abstimmung der handelnden Personen untereinander zeigt, was im Gerüstbau oder sagen wir besser im Spezialgerüstbau möglich ist.

An dieser Stelle besten Dank an die Gerüstbau Rolf Brückner GmbH & Co.KG aus Ahlen.